Die ÖPNV-Sicht: Der ÖPNV als Anbieter der digitalen Kundenschnittstelle

Februar 9, 2023
4 min
Photo: Stocksy/Jovo Jovanovic
Die Corona-Pandemie hat sich auf fast alle Bereiche des öffentlichen und privaten Lebens ausgewirkt. Auch mit Blick auf die Mobilität hat die Krise für noch nie da gewesene Verhältnisse gesorgt und Entwicklungen beschleunigt, die sich sonst wahrscheinlich erst in einigen Jahren realisiert hätten. Mobility-as-a-Service (MaaS) kann eine Lösung für Mobilitätsanbieter sein, um mit den Folgen der Pandemie umzugehen.
Mobimeo entwickelt eine Mobility-as-a-Service-Plattform (MaaS) für die Alltagsmobilität. Unser Ziel ist es, Mobilität einfacher und Städte grüner zu machen – deutschlandweit. Hierfür unterstützen wir öffentliche Verkehrsunternehmen und -verbünde als Partner bei der Digitalisierung ihres Angebots. Um Tempo aufzunehmen und die digitale Kundenschnittstelle nicht branchenfremden Technologieunternehmen zu überlassen, sind unserer Meinung nach Standards für die wesentlichen Bereiche einer MaaS-Plattform notwendig. In einer Serie von Blog-Beiträgen zeigen unsere Teams, wie wichtig Standards für eine deutschlandweite MaaS-Plattform sind. Diesmal sprechen wir mit Hendrik Gossmann, Delivery Project Manager bei Mobimeo.

Hallo Hendrik. Auch an dich die Frage: Welche drei Hashtags fallen dir aus Marktperspektive, speziell im Hinblick auf den öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV), zum Begriff „einheitliche Mobilitätsplattform“ ein?

#UnifyPublicTransport, #DigitalizePublicTransport und #OwnTheMoment! Das ergibt sich aus der Funktion des Delivery Teams bei der Entwicklung von Software bei Mobimeo: Unsere Aufgabe ist es, viele Perspektiven einzunehmen, damit am Ende unsere Partner und die Nutzer:innen das beste Produkt bekommen. Das geht weit über die Überwachung von Zeit- und Kostenplanung hinaus. Wir sind von Anfang an im engen Austausch mit unseren Kunden und den anderen Teams von Mobimeo - von Marktforschung (User Research) über Design bis zur Programmierung. Den ganzen Entwicklungsprozess bis zum Release mit zu begleiten macht diese Aufgabe für mich so besonders.

 

Das kam ja wie aus der Pistole geschossen. Kannst du uns näher erklären, was du mit #UnifyPublicTransport meinst?

Der ÖPNV-Markt in Deutschland ist heute noch stark fragmentiert. Daher gibt es derzeit auch über 100 ÖPNV-Appst. Jede steht für sich und funktioniert selten übergreifend in anderen Tarifgebieten. Für die Nutzer:innen ist das wahnsinnig unübersichtlich und erschwert die Skalierbarkeit der ÖPNV-Apps erheblich. Gerade zu Zeiten des 9-Euro-Tickets haben wir gemerkt, dass es aus Nutzer:innen- und Anbieterperspektive einen starken Bedarf an Konsolidierung gibt. Die ganze Branche sollte sich zum Ziel setzen, den Tarifdschungel zu lichten. Dabei sollte nicht nur das Ticketing vereinfacht werden, sondern auch das App-Angebot an sich. Wir müssen Nutzer:innen eine App zur Verfügung stellen, die deutschlandweit genutzt werden kann.

 

Und was meinst du mit #DigitalizePublicTransport?

Durch die Nutzung einer einheitliche MaaS-Plattform können Verkehrsunternehmen und -verbünde ihr digitales Angebot konsolidieren und schneller weiterentwickeln – auch um im Kampf um die digitale Kundenschnittstelle mit internationalen Wettbewerbern wie Google, Apple und Uber mitzuhalten. Dafür braucht es eine deutschlandweite Lösung, die technologisch skalierbar ist und in Bezug auf die User Experience (UX) eine Alternative zu den Angeboten der großen Tech-Konzerne sein kann.

 

Du sprachst gerade von digitaler Kundenschnittstelle. Geht es darum, wenn du von #OwnTheMoment sprichst?

Genau! Firmen wie Netflix, Spotify oder auch Airbnb haben durch die Digitalisierung nicht nur ihre jeweilige Branche revolutioniert. Sie bieten mit ihren Apps und Websites eine digitale Kundenschnittstelle, die im Entscheidungsmoment das Angebot sehr einfach verfügbar macht. So gehen Film- und Serienliebhaber bevorzugt auf Netflix, nahezu jeder hört Musik über Spotify und Menschen, die Unterkünfte buchen wollen, denken an Airbnb. Mit keiner der mehr als 100 ÖPNV-Apps in Deutschland ist es bisher gelungen, die digitale Kundenschnittstelle für Alltagsmobilität zu etablieren - obwohl jährlich circa 75 Mio. Euro investiert werden. Die Verkehrsunternehmen und -verbünde müssen jetzt ihre Kräfte bündeln und eine umfassende Lösung anbieten. Unsere Partner, deren digitale Angebote auf der MaaS-Plattform von Mobimeo aufbauen, können die Suche, Buchung und Bezahlung aller Mobilitätsangebote in einer App anbieten. So können sie dauerhaft relevant für ihre Nutzer:innen bleiben, selbst wenn internationale Plattformbetreiber wie Google, Apple und Uber in Zukunft auch Tickets verkaufen werden. 

 

Was ist denn aus eurer Sicht das Besondere an einer einheitlichen MaaS-Plattform, gerade im Hinblick auf den ÖPNV?

Da wäre zunächst der enorme Zeitgewinn: Anstatt für 100 ÖPNV-Unternehmen 100 verschiedene Lösungen anzubieten, setzen wir auf eine einheitliche Plattform, die deutschlandweit verfügbar ist und beispielsweise nur eine Routensuche und ein Ticketing-System nutzt. Gerade aus der Perspektive von Delivery wird dadurch enorm viel Zeit gespart: Bei der Definition von Leistungsbestandteilen, dem Verhandeln von Verträgen und vor allem bei der Abstimmung und Steuerung während des Entwicklungsprozesses. Außerdem partizipieren unsere Kunden an allen zukünftigen Weiterentwicklungen der Plattform auf der Grundlage der Roadmap. Das hat den Vorteil, dass wir durch das Bündeln von Ressourcen unsere MaaS-Plattform kontinuierlich verbessern können. Wir haben unsere Organisation so aufgestellt, dass wir alle zwei Wochen ein neues Feature releasen können. Außerdem kommt hier die Skalierbarkeit der Plattform zum Tragen: Ab dem Zeitpunkt, an dem ein Feature aktiviert ist, ist es automatisch auch für alle bestehenden und zukünftigen Partner verfügbar. Das spart Entwicklungszeit und sichert die Wettbewerbsfähigkeit aller Beteiligten.

 

Und was ist für euch noch unabdingbar, um die Ziele des öffentlichen Verkehrs - beispielsweise mehr Fahrgäste und besserer Klimaschutz - zu erreichen? 

Die Antwort ist ganz einfach: Die Branche muss bereit sein, über die Tarifgrenzen der einzelnen Verkehrsunternehmen und -verbünde hinaus zu denken. Womit wir wieder beim Hashtag #UnifyPublicTransport wären. Das Deutschlandticket wird ein großer Schritt in diese Richtung sein. Dabei ist es wichtig, dass die ÖPNV-Anbieter den Kontakt zu ihren Kunden, den Fahrgästen, nicht verlieren. Apps auf der Grundlage der Mobilitätsplattform von Mobimeo bieten die Chance, die Stärke der eigenen Marke vor Ort auszuspielen. Die White-label-Apps sind so konzipiert, dass sie auf den Look-and-feel der jeweiligen ÖPNV-Marke angepasst werden. Außerdem wird es in der Zukunft entscheidend sein, alle Verkehrsmittel an einer Stelle digital zugänglich zu machen. Sharing- und On-demand-Angebote mit dem Deutschlandticket zu verknüpfen ist - gerade für die erste und letzte Meile - eine weitere große Chance für den ÖPNV.

 

Beim Deutschlandticket fällt mir die Zahl 49 ein - der Preis für das Ticket in Euro. Was ist aus Sicht eures Teams eine weitere wichtige Zahl?

Über 70 Releases in 2022! Für mich ist das ein klares Zeichen, wie schnell wir neue Features und Produktoptimierungen auf den Markt bringen und die Qualität unserer Apps stetig verbessern können. 

 

Dann habt Ihr Euch sicher auch für 2023 viel vorgenommen und wir wollen Dich nicht zu lange aufhalten. Deshalb die letzte Frage: Was ist deine Zukunftsvision für eine einheitliche Mobilitätsplattform?

Da lande ich wieder beim Hashtag #OwnTheMoment: Wir arbeiten daran, dass wir auf unserer Plattform die Go-to-App für nachhaltige Mobilität bereitstellen, die alle Bedürfnisse unserer Nutzer:innen abdeckt. 

 

Vielen Dank für das Gespräch, Hendrik.

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