„Wie kann der öffentliche Nahverkehr von MaaS profitieren, Thomas?“

Januar 6, 2022
3 min
Die Corona-Pandemie hat sich auf fast alle Bereiche des öffentlichen und privaten Lebens ausgewirkt. Auch mit Blick auf die Mobilität hat die Krise für noch nie da gewesene Verhältnisse gesorgt und Entwicklungen beschleunigt, die sich sonst wahrscheinlich erst in einigen Jahren realisiert hätten. Mobility-as-a-Service (MaaS) kann eine Lösung für Mobilitätsanbieter sein, um mit den Folgen der Pandemie umzugehen.
Mobility-as-a-Service (MaaS) ist ein Schlagwort, das ganz unterschiedlich ausgelegt wird - je nachdem, wer es benutzt. Für Mobimeo als Anbieter einer MaaS-Plattform ist es Teil unserer DNA. Deshalb möchten wir das Thema aus verschiedenen Perspektiven analysieren und zeigen, was es für uns bedeutet. In einer Serie mehrerer Interviews befragen wir interne Expert:innen zu ihrer persönlichen Sicht auf MaaS. Da Verkehrsverbünde und -unternehmen für das Konzept eine zentrale Rolle spielen, haben wir unseren Marktexperten Thomas gefragt, wie der öffentliche Verkehr von MaaS profitieren kann.

Warum ist es für den Öffentlichen Personennahverkehr sinnvoll, MaaS bewusst zu einem Teil des eigenen Angebots zu machen?

Verkehrsverbünde und -unternehmen als Anbieter des Öffentlichen Personennahverkehrs (ÖPNV) sind der Inbegriff der geteilten Mobilität! Lange bevor es „moderne“ Shared-Mobility-Angebote gab, haben sie bereits nachhaltige Mobilitätsoptionen entwickelt. Daher ist es für diese Akteure auch im nächsten Schritt sinnvoll, diese Stellung auszubauen, indem sie die Anbindung an andere Mobilitätsdienstleistungen verbessern. Darüber hinaus haben Verkehrsverbünde und -unternehmen den großen Vorteil, dass sie in ihren Regionen bereits bekannt sind und als erste Anlaufstelle für Mobilität wahrgenommen werden.

 

Was sind die wichtigsten Vorteile von MaaS-Lösungen für den öffentlichen Nahverkehr?

Der ÖPNV kann in vielerlei Hinsicht von MaaS-Lösungen profitieren. Einerseits ermöglicht MaaS den Verkehrsverbünden und -unternehmen, mit einem breiten Spektrum von Bestandskunden und potenziellen Fahrgästen in Kontakt zu stehen, auch wenn diese nicht regelmäßig öffentliche Verkehrsmittel nutzen. Dadurch können sie viel über die Bedürfnisse der Nutzer:innen lernen, Kapazitäten planen und neue Produktangebote wie Ticket- oder Abonnementmodelle entwickeln.

Vor allem ermöglicht MaaS den Anbietern die aktive Gestaltung des Mobilitätsangebots in ihrer Region, wobei der öffentliche Nahverkehr das Rückgrat einer nachhaltigen Alltagsmobilität bildet. 

Viele Anbieter experimentieren schon heute mit neuen Mobilitätsdiensten unter ihrer Marke - insbesondere mit Ride-Hailing-Diensten - um auf nicht ausgelasteten Buslinien Kosten zu sparen. Hier bieten MaaS-Lösungen die Möglichkeit, das eigene Angebot und das externer Anbieter digital zu verbinden. Außerdem bietet MaaS natürlich interessante neue Möglichkeiten, die eigenen Dienste zu vermarkten.

 

Was sind kurzfristig und langfristig die Unterschiede zwischen einem Plattformmodell und einer individuellen Softwareentwicklung?

Die individuelle Softwareentwicklung ist leider immer noch die häufigste Art der Entwicklung digitaler Lösungen für Verkehrsverbünde und -unternehmen: Sie stellen lange Listen von Funktionen auf, die sie dann über Produktlebenszyklen von fünf oder sogar zehn Jahren beschaffen. Kurzfristig kann dieses Vorgehen zwar zu einem akzeptablen Ergebnis führen, auf lange Sicht hat es allerdings viele Nachteile. Der größte Nachteil ist, dass dadurch eine nutzungsorientierte und agile Produktentwicklung verhindert wird. Wenn die erwarteten Funktionen vorab bereits detailliert beschrieben worden sind, lassen die Anforderungen in der Regel keine kontinuierliche Innovation mehr zu.

Die Alternative ist das Plattformmodell: Die Plattform wird zentral auf der Grundlage von B2B- und B2C-Marktforschung entwickelt. Dieser Ansatz ist sehr viel flexibler. Es gibt keine festgelegten Anforderungen für zehn Jahre im Voraus, sondern die nächsten Schritte der Produktentwicklung werden regelmäßig überprüft. Das Risiko, an den Bedürfnissen des Marktes vorbei zu entwickeln, ist daher viel geringer als bei dem traditionellen Ansatz. Die Plattform ist auch ein effektiveres Mittel der Beschaffung: Da der Entwicklungsaufwand auf mehrere Kunden verteilt wird, entstehen geringere Kosten für jeden Partner und die Integration erfordert weniger Zeitaufwand. 

 

Wie können ÖPNV-Anbieter MaaS erfolgreich umsetzen? Was brauchen sie dafür? 

Damit die Einführung einer MaaS-Lösung gelingt, muss man sich zunächst vor Augen führen, um wen es geht: die Nutzer:innen von (städtischen) Mobilitätslösungen. Außerdem ist es wichtig, für neue Optionen offen zu sein und zu bleiben. Ein iterativer Ansatz - ein schneller Roll-out und die Anpassung Schritt für Schritt - führt vielleicht nicht sofort zur perfekten Lösung. Auf mittlere und lange Sicht ermöglicht sie jedoch die besseren Ergebnisse. Dazu gehören auch neue Beschaffungswege. Niemand kann sagen, welche Funktionen oder Technologien in Zukunft benötigt werden. Daher sollten sich Verkehrsverbünde und -unternehmen  auch in ihrem Beschaffungsprozess und den zugrunde liegenden Verträgen die notwendige Flexibilität offen halten.

Aus meiner Sicht können sie MaaS nur dann erfolgreich umsetzen, wenn sie ihre eigenen Fähigkeiten und Möglichkeiten sowie ihre Grenzen kennen. Das führt zu einer vertrauensvollen Zusammenarbeit mit Partnern, die zusätzliche Kompetenzen für eine erfolgreiche Digitalisierung der Alltagsmobilität einbringen.

 

Der Interviewpartner

Thomas Knaup, seit Anfang 2019 bei Mobimeo, hat den Marktzugang des Unternehmens von Anfang an mitgestaltet. Als Business Building Lead sind er und sein Team unsere Expert:innen für den Mobilitätsmarkt.

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