„Inwiefern ist MaaS nachhaltig, Felix?”

März 3, 2022
5 min
Die Corona-Pandemie hat sich auf fast alle Bereiche des öffentlichen und privaten Lebens ausgewirkt. Auch mit Blick auf die Mobilität hat die Krise für noch nie da gewesene Verhältnisse gesorgt und Entwicklungen beschleunigt, die sich sonst wahrscheinlich erst in einigen Jahren realisiert hätten. Mobility-as-a-Service (MaaS) kann eine Lösung für Mobilitätsanbieter sein, um mit den Folgen der Pandemie umzugehen.
Mobility-as-a-Service (MaaS) ist ein Schlagwort, das ganz unterschiedlich ausgelegt wird - je nachdem, wer es benutzt. Für Mobimeo als Anbieter einer MaaS-Plattform ist es Teil unserer DNA. Deshalb möchten wir das Thema aus verschiedenen Perspektiven analysieren und zeigen, was es für uns bedeutet. In einer Serie mehrerer Interviews befragen wir interne Expert:innen zu ihrer persönlichen Sicht auf MaaS. Ein Thema, das bereits in vielen unserer vorangegangenen Interviews angeklungen ist, ist der Zusammenhang zwischen MaaS und Nachhaltigkeit. Inwiefern Mobilität einen Beitrag zu mehr Umweltschutz leisten und welche Rolle MaaS dabei spielen kann, besprechen wir mit unserem Head of Product, Felix Salfner.

Welchen Einfluss hat Mobilität auf Nachhaltigkeit?

Im Jahr 2019 machte der Verkehrssektor in Deutschland 20 Prozent der CO2-Emissionen aus, das ist ein beachtlicher Anteil. Und wenn man sich die Entwicklung in den Jahren davor ansieht, muss man leider feststellen, dass im Gegensatz zu anderen Sektoren bei den Verkehrsemissionen bisher keine wesentliche Reduzierung erreicht werden konnte (vgl. Umweltbundesamt, 2021).

Diese Zahlen zeigen, welch große Rolle eine Änderung des Mobilitätsverhaltens im Kampf gegen den Klimawandel spielt. Genau daran arbeiten wir bei Mobimeo: An Apps, die den Zugang zu nachhaltiger Mobilität in Städten deutlich vereinfachen, damit jede:r das Klima schützen kann, ohne das Bedürfnis nach Mobilität einschränken zu müssen.

 

MaaS trägt also zu einer nachhaltigen Mobilität bei?

Ja, das ist meine Überzeugung. Und ich kann auch erklären, wieso: Ein wesentlicher Aspekt von Mobility-as-a-Service ist Service. Mobilität wird zum Service, der „einfach so” verfügbar ist und nach Bedarf genutzt werden kann. Das ist ganz entscheidend: Nur wenn der Umstieg vom privaten Auto auf öffentliche Verkehrsmittel so leicht wie möglich gemacht wird, ändert sich das Verhalten der Menschen dauerhaft. 

Um mal einen großen Vergleich heranzuziehen: je mehr das Internet zu einem immer und überall verfügbaren Service geworden ist, desto weitreichender hat es unser Leben verändert. Und ich bin sicher, dass sich auch unser Mobilitätsverhalten verändert, wenn Mobilität zu einem einfach verfügbaren Service wird. Ich möchte diesen Einfluss auf das Verhalten der Menschen aber nicht allein privatwirtschaftlichen Unternehmen überlassen, sondern glaube fest daran, dass wir einen Wechsel zu nachhaltiger Mobilität nur durch eine intelligente Verknüpfung von öffentlichem Personennahverkehr (ÖPNV), Radverkehr und anderen Verkehrsmitteln erreichen können. Natürlich ist MaaS nur einer von vielen Hebeln hin zu nachhaltiger Mobilität - politische und stadtplanerische Unterstützung sind ebenso nötig, um die Verkehrswende in Deutschland voranzutreiben.

 

Was ist der Beitrag von MaaS, um die Verkehrswende in Deutschland voranzutreiben?

Aus meiner Sicht gibt es drei Aspekte, wie MaaS die Verkehrswende vorantreiben kann: 

  1. MaaS kann die Entscheidung beeinflussen, welche Verkehrsmittel Menschen wählen, um von A nach B zu kommen
  2. MaaS kann erlebbar machen, dass grüne Mobilität eine bessere Erfahrung sein kann als das private Auto
  3. MaaS kann bewirken, dass intelligente, vernetzte Mobilität zum Mainstream wird

Während die ersten beiden Punkte darauf abzielen, das Verhalten der Menschen zu ändern, ist der dritte Aspekt ebenso wichtig: Die Verkehrswende wird nur eintreten, wenn nicht nur einige Early Adopters mitmachen, sondern wenn die breite Mehrheit ihr Verhalten ändert. 

Ganz zentral in der Mobilität ist der Moment, an dem sich ein Mensch entscheidet, welchen Weg und welche Verkehrsmittel sie oder er dafür nutzen will. Das ist der Moment, in dem Nutzer:innenverhalten maßgeblich beeinflusst werden kann. Die Entscheidung hängt allerdings von zahlreichen kontextbezogenen Faktoren und persönlichen Präferenzen ab. Bin ich schwer bepackt oder sogar mit einem Kinderwagen unterwegs? Fahre ich nicht so gern Bus, weil mir da beim Lesen schlecht wird? Oder bewege ich mich an einem sonnigen Frühlingstag lieber an der frischen Luft? MaaS hat das Potenzial, eine große Bandbreite an Optionen zur Verfügung zu stellen. Durch ihre intelligente Verknüpfung können ganz individuelle und nachhaltige Mobilitätsangebote gemacht werden.

Die Entscheidung lässt sich außerdem durch finanzielle Anreize beeinflussen. Zum Beispiel nutzen in Deutschland viele Menschen für den Weg zur Arbeit das Auto. Firmenwagen machten im Jahr 2021 fast 11 Prozent aller zugelassenen Autos aus. Die Erfahrung zeigt: wenn Unternehmen ihren Mitarbeiter:innen statt eines Firmenwagens monatlich über eine MaaS-Plattform ein Mobilitätsbudget zur Verfügung stellen, mit dem sie flexibel öffentlichen Nahverkehr aber auch Sharing-Angebote nutzen können, verlagert sich ein großer Teil der Fahrten auf nachhaltigere Mobilitätsformen.

Neben der besseren Klimabilanz hat nachhaltige Mobilität weitere Vorteile gegenüber dem PKW - so kann man beispielsweise im ÖPNV ein Buch lesen oder sich Videos anschauen, man hat mehr Bewegung, und es ist in der Regel auch besser planbar, wann man ankommt. MaaS kann helfen, diese Vorteile erlebbar zu machen. Zum Beispiel erinnert unser Live Navigations-Feature, das schon heute Teil der Mobility Stuttgart App ist, die Nutzer:innen durch Benachrichtigungen, wann sie um- oder aussteigen müssen - so können sie sich während der Fahrt voll auf andere Dinge konzentrieren. Auch wenn mal etwas schief geht, kann MaaS helfen, negative Auswirkungen abzumildern. Fällt zum Beispiel einmal eine U-Bahn aus und man läuft Gefahr, einen Termin zu verpassen, können Alternativen aufgezeigt werden. Häufig kommt man mit einem anderen Verkehrsmittel, beispielsweise einem Elektro-Scooter, noch pünktlich ans Ziel.

Um eine breite Mehrheit dazu zu bringen, ihr Verhalten zu ändern, müssen wir es schaffen, dass jede:r MaaS nutzen kann - unabhängig von Alter, Einkommen, Sprache, Bildungsstand oder möglichen Einschränkungen. Daher muss die User Experience (UX) so einfach wie möglich sein. Trotzdem muss sie genau die Informationen verfügbar machen, die in der jeweiligen Situation benötigt werden. Um das zu erreichen, beschäftigen wir uns in der Produktentwicklung von Anfang an mit den Nutzer:innen der Apps: Wer sind sie? Welche Bedürfnisse und Prioritäten haben sie? Eine gute User Experience entsteht aber nicht am Reißbrett. Sie muss iterativ erarbeitet und ständig verfeinert werden, indem neue Erkenntnisse über das Nutzer:innenverhalten und Feedback in die Weiterentwicklung des Produkts eingespeist werden.
Das Spannende an der Entwicklung einer MaaS-Plattform ist das Zusammenspiel aller Akteure. Neben den Nutzer:innen sind das öffentliche und private Mobilitätsanbieter (Mobility Service Provider, MSP) und die Verwaltung von Städten, Gemeinden und Landkreisen. MaaS eröffnet neue, digitale Kanäle zu Kund:innen und Bürger:innen, und dadurch neue Möglichkeiten, das Angebot zu verbessern und die Verkehrswende voranzutreiben. 

 

Gibt es empirische Beweise dafür, dass MaaS einen Einfluss darauf hat, wie Menschen sich in der Stadt fortbewegen?

Es gibt verschiedene Studien, in denen der Bedarf an nachhaltigeren Verkehrsmitteln untersucht wird und welchen Effekt MaaS bei der Wahl von Verkehrsmitteln haben kann: 

Die Studie von Juniper Research aus dem Jahr 2021 kommt zum Ergebnis, dass MaaS bis zum Jahr 2025 bis zu 2,2 Milliarden Autos ersetzen könnte. Neben solchen Hochrechnungen gibt es außerdem viele Umfragen, die sich mit dem Umstieg vom Auto auf nachhaltigere Verkehrsmittel beschäftigen. Ein Beispiel ist das Energiewendebarometer 2021 der Förderbank KfW: In einer Umfrage wurden Angehörige von 4.000 Haushalten in Deutschland befragt, inwiefern sie sich einen Wechsel auf nachhaltigere Verkehrsmittel vorstellen könnten. Die Umfrage ergab, dass etwa 75 Prozent der Befragten, die aktuell mehrmals pro Woche das Auto nutzen, sich einen Wechsel auf den ÖPNV vorstellen können. Zudem gaben 66 Prozent an, dass für sie ein Wechsel auf das Fahrrad in Frage kommt. Allerdings wurden von vielen Befragten auch Bedingungen für diese Wechsel genannt: Bessere Anbindung, geringere Kosten, mehr Komfort. Und genau das sind die Punkte, an denen MaaS ansetzt. 

Dass die Auswirkungen auf die Umwelt ein wichtiges Motiv für die Nutzung des ÖPNV ist, zeigt eine Studie, die wir in den Jahren 2020 und 2021 gemeinsam mit dem Verband Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV) durchgeführt haben. Aus den Befragungen ergibt sich, dass das Thema „Umweltfreundlichkeit” ein wichtiger Entscheidungsfaktor für ÖPNV- Fahrgäste ist (Quelle: VDV Nahverkehrstracker, 2021). Das heißt, die Menschen wollen gern nachhaltiger unterwegs sein. Mit MaaS schaffen wir die Voraussetzungen, dass es ihnen so leicht wie möglich gemacht wird!

 

Der Interviewpartner

Dr. Felix Salfner ist Head of Product bei Mobimeo. In dieser Funktion sorgt er gemeinsam mit seinen Teams für die Ausrichtung der Mobimeo MaaS-Plattform und der darauf aufbauenden Apps an den Bedürfnissen von Nutzer:innen und Kund:innen.

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